In diesem Artikel möchte ich Dir den Mythos Trefferquote etwas näherbringen. Hier ist die Traderschaft durchaus geteilter Meinung. Die Einen geben an, dass die Trefferquote unbedingt hoch sein muss. Wieder andere sind der Meinung, dass die Trefferquote allein völlig egal für das Handelssystem ist. Wie so häufig befindet sich die Wahrheit irgendwo zwischen diesen beiden durchaus extremen Ansichten, denn beide Seiten haben nicht ganz unrecht. Ich differenziere gerne zwischen einem mathematischen und einem emotionalen Ansatz. Wie ich das meine, erfährst Du in diesem Artikel.
Was ist die Trefferquote?
Zunächst möchte ich kurz darauf eingehen, was die Trefferquote überhaupt aussagt. Wer da bereits informiert ist und auch die Berechnung kennt, kann diesen Absatz einfach überspringen. Die Trefferquote gibt an, wie häufig man nach einer beliebigen Anzahl Trades „richtig“ lag und somit Geld verdient hat. Wurden zum Beispiel nach 10 Trades 6 Gewinne gemacht, so beträgt die Trefferquote 60%.
Berechnung
TQ = Trefferquote
n = Anzahl Trades
G = Anzahl Gewinntrades
TQ = G / n * 100
TQ = 6 / 10 * 100 = 0,6 * 100 = 60%
Wenn man die Trefferquote eines Systems kennt, weiß man natürlich auch direkt, wie die Verlustquote aussieht. In diesem Bespiel sind die übrigen 40% Verlusttrades. Mit diesen beiden Werten ist also die Verteilung von Gewinn- und Verlusttrades des jeweiligen Systems bekannt. Diese hilft schon mal bei der ersten Auswertung eines Systems, allerdings ist es damit allein nicht möglich auf die Rentabilität zu schließen.
Dazu werden weitere Daten benötigt, darunter zum Beispiel die Größe der Gewinne und Verluste. Und genau an dieser Stelle gehen nun die Meinungen auseinander.
Was der Anfänger häufig falsch macht
Was die Trefferquote aussagt und wie man Sie berechnet, ist nun jedem klar. Der erste Gedanke bei einem Anfänger ist jetzt häufig, dass es doch logisch ist, eine möglichst hohe Trefferquote anzustreben. Schließlich will ja jeder gewinnen – und das möglichst oft und hoch. Also sucht man zunächst das Glück in einer hohen Trefferquote. Wie erreicht man dies am Einfachsten?
Indem der Stop Loss, also der Kurs zu dem man im Verlustfall aus dem Markt gehen möchte, weit weg vom Einstiegskurs liegt und auf der anderen Seite jeder noch so kleine Gewinn mitgenommen wird. Das führt unweigerlich über kurz oder lang dazu, dass die Verluste größer als die Gewinne sind – jedenfalls im Schnitt.
Argumente pro Trefferquote
Und genau das ist auch das Hauptargument derer, die eine hohe Trefferquote für absolut vernachlässigbar erachten. Wenn die Verluste nämlich deutlich größer sind als die Gewinne, muss die Trefferquote schon sehr hoch sein, um profitabel zu traden. Kein Wunder also, dass so einfache Rechnungen wie die folgenden aufgestellt werden:
Wenn der Gewinn immer genau doppelt so hoch ist wie der Verlust, kann die Trefferquote bei unter 50% liegen und man ist immer noch profitabel. Das klingt dann auch noch so schön seriös, denn häufig wird noch angefügt, dass natürlich niemand weiß, wie sich die Märkte in Zukunft bewegen werden und es deshalb nur vernünftig sei, wenn man die Trefferquote möglichst vernachlässigt und sich stattdessen auf die durchschnittlichen Gewinne und Verluste konzentriert.
Es folgt der nächste Anfängerfehler, nämlich das krampfhafte Festhalten am so genannten CRV, dem Chance-Risiko-Verhältnis. Dazu habe ich bereits einen Artikel geschrieben, der aufzeigt, warum das CRV häufig zu Verlusten führt.
Der mathematische Ansatz
Schauen wir uns die mathematische Betrachtungsweise dieses „Problems“ an. Keine Sorge, es wird nicht kompliziert. Die Verteilung der Gewinn- und Verlusttrades reicht also nicht aus, um ein System zu bewerten. Dazu ein paar Rechenbeispiele:
Beispiel 50:50
TQ = 50%
durchschnittlicher Gewinn: 10€
durchschnittlicher Verlust: 10€
Wenn der durchschnittliche Gewinn genauso groß ist wie der durchschnittliche Verlust, reicht eine TQ von 50% natürlich nicht aus, um profitabel zu traden. Wenn von 10 Trades 5 * 10€ verdient werden und gleichzeitig 5 * 10€ verloren werden, bleibt unterm Strich nichts übrig. In der Realität stünde man sogar mit einem Verlust da, denn für jeden Trade fallen Kosten an. Die Kosten werden an dieser Stelle jedoch vernachlässigt.
Beispiel hohe Trefferquote
TQ 90%
durchschnittlicher Gewinn: 1€
durchschnittlicher Verlust: 5€
Hier würden nun von 10 Trades 9 * 1€ verdient und 1 * 5€ verloren. Unterm Strich bleiben also 4€ übrig. Dann ist eine hohe Trefferquote doch wichtig? Nein, denn diese Rechenbeispiele kann man beliebig anstellen und immer wieder positive und negative Ergebnisse erhalten. Das hat aber noch lange nichts mit der Realität an den Märkten zu tun. Eine Trefferquote von 90% ist dazu noch sehr ambitioniert.
Und was passiert, wenn der elfte Trade ein Verlust wird? Genau, dann steht man bei -1€ und hat demnach mit nur 2 Trades den Gewinn von 9 Trades vernichtet. Da kommt noch eine dritte, bisher unberücksichtigte, Größe ins Spiel – die Psychologie. Darauf gehe ich etwas später noch genauer ein.
Beispiel niedrige Trefferquote
TQ 20%
durchschnittlicher Gewinn: 8€
durchschnittlicher Verlust: 1€
Die Trefferquote liegt jetzt gerade mal bei 20%. Was hat das für eine Auswirkung auf das Ergebnis? Es werden 2 * 8€ verdient und 8 * 1€ verloren. Das macht ja unterm Strich einen Gewinn von 8€!? Wie kann das sein, bei der niedrigen Trefferquote? Logisch, weil die Gewinntrades deutlich größer sind als die Verlusttrades. Aber auch hier gilt, dass das mathematisch alles so schön nachvollziehbar ist. In der Realität sieht es ganz anders aus.
Emotionen: Gier, Angst, Wut usw.
Was jeder von Anfang an unter keinen Umständen unterschätzen sollte, sind die eigenen Emotionen. Die meisten Menschen handeln häufiger emotional als rational – und das leider sogar meistens auch noch unbewusst. Das ist auch der Grund dafür, dass Werbung so gut funktioniert. Man wird dazu verleitet Dinge zu kaufen, die man rational betrachtet überhaupt nicht braucht. Manche Menschen reagieren da übrigens sensibler als andere – und das ist eine sehr schöne Überleitung zum eigentlichen Thema Trading.
„Ich hasse es zu verlieren“
Es gibt Menschen, die unglaublich schlecht verlieren können. Menschen, die es regelrecht hassen zu verlieren, weil sie es mit einem „Versagen“ gleichsetzen. Ich kann Dir versichern, dass es schwierig bis unmöglich wird profitabel zu traden, wenn Du dich mit dieser Eigenschaft identifizieren und dieses Verhalten nicht kontrollieren kannst.
Wenn Du ehrgeizig bist, ist das eine gute Voraussetzung dafür, dass Du am Ball bleibst, immer mehr lernst und schlussendlich erfolgreich wirst. Es gibt allerdings keine Möglichkeit ohne Verluste auszukommen.
Bei welcher Trefferquote fühlst Du Dich wohl?
Du musst deine Wohlfühlzone kennenlernen. Das kannst Du bei alltäglichen Dingen, wie zum Beispiel bei Gesellschaftsspielen, Computerspielen etc beobachten. Hast Du Spaß bei einem Spiel, wenn Du nur in der Hälfte aller Fälle gewinnst? Hast Du auch noch Spaß, wenn Du deutlich seltener gewinnst, etwa nur 2 von 10 Runden Mensch ärgere Dich nicht?
Oder muss es schon deutlich häufiger sein, zum Beispiel 8 von 10 Runden? Es gibt Handelssysteme, die mit sehr niedrigen Trefferquoten funktionieren. Die mathematische Erklärung dafür hast Du in diesem Artikel kennengelernt. Und trotzdem wird nicht jeder mit einem solchen System glücklich werden, weil man einfach deutlich häufiger verliert als man gewinnt.
Regeln müssen immer zu 100% eingehalten werden
Sehr hohe Trefferquoten gehen häufig mit kleinen Gewinnen einher. Hier macht es tatsächlich die Masse an Trades, die unterm Strich durchaus Gewinne bringen kann. Aber stell Dir vor, Du hast 10 Gewinne in Folge eingefahren und der 11. oder 12. Trade macht diesen gesamten Gewinn wieder zunichte. Dies kann dazu führen, dass Du bei den nächsten Trades von Deinen Regeln abweichst.
Du wirst ängstlicher, setzt den Handel aus oder gehst weniger Risiko ein. Durch das Abweichen von Deinen Regeln verfälschst Du auch Dein statistisches Ergebnis. Auch hier haben Dir dann Deine Emotionen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Fazit
Ich hoffe Dir ist klar geworden, dass die Trefferquote allein, genau wie die durchschnittlichen Gewinne und Verluste allein, keine Aussage im Sinne von „das ist wichtig und das ist vernachlässigbar“ ermöglicht. Es ist die Wechselwirkung dieser beiden Größen, die zumindest mathematisch zu einem positiven Ergebnis führen können. Dennoch sind es schlussendlich auch die Emotionen, die einen enormen Einfluss auf das eigene Handeln haben und damit auch maßgeblich auf das Ergebnis.
Man könnte auch sagen, dass ein mathematisch funktionierendes System noch lange nicht von jedem Menschen gehandelt werden kann. Dies ist einfach der Tatsache geschuldet, dass eben nicht jeder Mensch gleich tickt. Eine pauschale Aussage darüber treffen, ob die Trefferquote besonders wichtig oder eben auch besonders unwichtig ist, kann man also allenfalls mathematisch – jedenfalls objektiv.
Deine bisherige Erfahrung
Hast Du bereits mit echtem Geld getradet oder betreibst Du sogar regelmäßig Trading? Dann kommen Dir einige Punkte bestimmt bekannt vor. Wie hast Du Deine Emotionen in den Griff bekommen? Und wenn du Anfänger bist: Welche Erfahrungen hast Du bereits zum Thema Trefferquote, CRV und Psychologie gemacht? Lass gerne einen Kommentar da, ich würde mich freuen und antworte Dir natürlich schnellstmöglich 😉
[…] sogar plausibel und vernünftig klingt, stellt sich in der Realität als völliger Unsinn dar. Zur Trefferquote und warum ich sie wichtiger finde als andere Trader, habe ich übrigens bereits einen Artikel […]