Über die Entwicklung Richtung Elektromobilität hört und liest man nicht nur Positives. Dabei muss man natürlich zwischen den Sorgen der Kunden und den „Problemen„, die die Herstellung mitbringt, unterscheiden. Während den Kunden häufig die Nachteile hinsichtlich Reichweite und „Betankungskomfort“ sauer aufstoßen, klagen Techniker und Umweltschützer über ein nicht wirklich „sauberes“ Fahren. Letztere denken da häufig an die rohstoffhungrigen Batterien und die Stromproduktion. Wie so oft gibt es eben Vor- und Nachteile.
Reichweite
Der Klassiker unter den Argumenten aus Kundensicht ist die „magere“ Reichweite. Auch mit Reichweiten im Bereich 200km-300km haben einige so ihre Schwierigkeiten. Vermutlich denken die Menschen an ihren jährlichen Urlaub innerhalb Deutschlands, im Zuge dessen sie tatsächlich mal weitere Fahrten auf sich nehmen. Klammert man den Vertreter mal aus, wäre eine Reichweite in dieser Größenordnung nämlich für so ziemlich jeden absolut ausreichend. Nach einer Statistik des KBA wurden 2016 pro Pkw ca. 14000km zurückgelegt. In dieser Zahl sind aber alle Pkw, also auch geschäftlich genutzte, enthalten.
Interessanter ist eine Zahl des BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung). Danach liegt der durchschnittliche Arbeitsweg bei 16,8km. Sowohl die 14.000km (70km am Tag bei 200 Arbeitstagen) als auch die ca. 17km für den durchschnittlichen Arbeitsweg fährt man ohne Probleme elektrisch. Und für die Urlaubsfahrt habe ich noch einen Tipp: Nach 300km kann man eine kurze Pause einlegen, einen Kaffee trinken und nebenbei volltanken. Nicht umsonst steckt in Urlaubsfahrt das Wort „Urlaub“ (=Zeit, die man zur Erholung nutzt und in der man Stress weitestgehend aus dem Weg gehen kann).
Infrastruktur
Bei der Ladeinfrastruktur sehe ich größere Probleme. Und da denke ich noch nicht mal speziell an Langstrecken. Wer ein Haus in einer ruhigen Gegend hat, betrifft das Problem des Ladens nicht wirklich. Über Nacht wird das Fahrzeug in der Garage vollgeladen und steht am Morgen wieder zu Verfügung. In der Innenstadt sieht das schon anders aus. Ich denke da an die vielen Menschen, die jeden Abend die Straßen rund um ihre Wohnung abfahren, um einen Parkplatz zu finden.
Und dann? 20 Kabeltrommeln aneinander und ab nach Hause? Das kann natürlich nicht die Lösung sein. Es müssen Ladesäulen her – und zwar schnell und viele. Laut einer Erhebung des BDEW gibt es 7407 öffentlich zugängliche Ladepunkte (siehe Quellen). Doch diese lösen natürlich nicht das Problem des zuvor beschriebenen Innenstadtbewohners. Selbst wenn in jede Laterne Lademöglichkeiten integriert würden, so bleibt das Problem der vielen Kabel. Wer soll zum Beispiel garantieren, dass nicht über Nacht massenweise Kabel geklaut werden?
Anschaffungskosten
Ein weiteres Problem sind die höheren Anschaffungskosten. Aktuell ist elektrisches Fahren noch nicht für jeden Geldbeutel geeignet. Dass es „Pioniere“ geben muss, zeigt die Entwicklung vieler technischer Neuheiten. Vieles ist zu Anfang eher teuer und wird erst für die Masse interessant, wenn das Angebot wächst, Herstellungskosten fallen, Prozesse optimiert werden usw. Nichtsdestotrotz könnten die Fahrzeuge günstiger angeboten werden, da bin ich mir ziemlich sicher. Nehmen wir das Beispiel e-Golf. Dieser läuft über dieselbe Fertigungsstraße wie der normale Golf. Darüber hinaus ist der Elektromotor deutlich günstiger, gleiches gilt für das Getriebe. Lediglich der Akku verursacht höhere Kosten, aber rechtfertigt das den enormen Preisunterschied? Im Falle des Sion von Sono Motors kostet der 35kWh Akku aktuell 4000€, Tendenz fallend.
Die Ökobilanz der Elektromobilität
Elektrisch fahren ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit „sauber“ fahren. Schaut man sich nämlich den Energiemix an, sind „nur“ ca. 30% des in Summe erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien. Außerdem würden die Fahrzeuge überwiegend nachts geladen, sodass Strom aus Photovoltaik, vor allem durch die fehlende Möglichkeit der Speicherung, noch deutlich weniger in den „Betankungsmix“ einfließt. Wenn es dann auch noch windstill ist, sieht die Bilanz noch schlechter aus. Zwei Dinge darf man hierbei dennoch nicht vergessen: Erstens ist der Wirkungsgrad bei der Energieherstellung und der späteren Nutzung im Auto höher als es beim Verbrenner der Fall ist. Und zweitens bekäme man durch eine Erhöhung der Elektromobilität einiges an Abgasen, Lärm und Feinstaub aus den Städten.
Dann wird elektrisches Fahren interessant
Meiner Ansicht nach wird die Elektromobilität für die Masse erst dann interessant, wenn der Preis stimmt. Soll heißen, dass die Nachfrage steigen wird, sobald Elektroautos und Verbrenner in etwa gleich viel kosten. Damit allein ist es aber nicht getan. Damit die Masse auch regelmäßig tanken kann, muss die Ladeinfrastruktur dementsprechend ausgebaut sein. Die meisten Fahrzeuge stehen vor allem nachts vor dem Haus und am Arbeitsplatz still. Dies sind demnach die wichtigsten Ladeorte.
Hinsichtlich der Ökobilanz ist die Elektromobilität auch (noch) nicht der Weißheit letzter Schluss. Dafür ist der Anteil an erneuerbarer Energie im Energiemix aktuell einfach noch zu gering. Des Weiteren darf man die benötigten Ressourcen für die Akkus nicht vergessen. So oder so sehe ich das Thema Elektromobilität in vielen Bereichen als eine sinnvolle Ergänzung zum Verbrenner. Ob sie allerdings langfristig alle anderen Techniken schlägt, bleibt abzuwarten. Sollte natürlich die Level-5-Autonomie schneller als erwartet kommen, wäre das Ressourcenproblem, bedingt durch deutlich geringere Stückzahlen, erheblich reduziert.
Quellen
KBA km/Jahr: https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftverkehr/VerkehrKilometer/verkehr_in_kilometern_node.html
Arbeitsweg: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Home/Topthemen/2017-pendeln.html
Ladepunkte: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/bdew-erhebung-de?open&ccm=300110010020
Energiemix: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/erneuerbare-energien.html
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